Warum der Valentinstag von Valentinus herrührt

Heute ist wieder einmal Valentinstag, Tag der Verliebten und Liebenden. Die Römisch-katholische Kirche will dies von einem Heiligen Valentin herleiten, wobei man sich nicht ganz einig ist, ob Valentin von Terni oder von Viterbo. Der Erstgenannte, der im 3. Jahrhundert lebte, hatte Liebespaare trotz des Verbotes von Kaiser Claudius II. getraut und ihnen zudem Blumen aus seinem Garten geschenkt (so die Legende), wofür dieser ihn am 14. Februar 269 hinrichten ließ. Von dem zweiten Valentin, jener von Terni († 304 ), weiß man hingegen kaum etwas.

   Es gibt aber noch einen dritten Mann, dessen Name bei der Kirche nicht so gern gehört wird: Der Gnostiker Valentinus (~100-170), der bei seiner Lehre offenbar das Bild aus den Adamschriften vor Augen gehabt hatte. Laut diesen sind am Anfang die Urmutter Sige (Schweigen) und der Urvater Bythos (Grund), aus denen insgesamt dreißig Paare von ÄonInnen hervorgehen. Sie wirken alle stets paarwei­se, und die erste Störung in der kosmischen Harmonie besteht darin, dass die Äonin Sophia ohne die Einwilligung ihres Paargenossen handelt. Umso bedeutender ist es da, dass gerade das Philippus-Evangelium, wo ja Maria Magdalena zwei Mal als Paargenossin Jesu verzeichnet ist, auf valentinianischen Einfluss zurückgeht! In ihrer Vereinigung mit Christus im Himmlischen Aspekt, als Sophia und Soter im Braut­gemach-Mythos, wird das ursprüngliche Paradies wiederhergestellt. Was ist der Hintergrund?

   Im Jahr 140 fand in der Stadt der sieben Hügel eine Wahl zum Bischof von Rom statt. Die Jahreszahl ergibt sich aus den Amtszeiten von Bischof Hyginus (136-140), und seinem Nachfolger Pius (140-155).[i] Die Wahl zu diesem höchsten Amt im Christentum war deshalb besonders wichtig, weil sich um das be­gehrte Bischofsamt auch der beste aller Theologen seinerzeit bewarb: Valentinus von Alexandria.[ii] Wie wir wissen, scheiterte Valentinus, der, nachdem er lange Jahre in Ägypten als Wanderpre­diger gewirkt hatte und laut Irenäus im Zeitraum zwischen 136 und 140 nach Rom gekommen war,[iii] damals nur knapp und soll sich da­nach wieder aus der ewigen Stadt zurückgezogen haben. Glaubt man Epiphanius, so soll sein Ziel Zypern gewesen sein,[iv] Irenäus zufolge sei seine Heimat Rom geblieben bis zu seinem Tod etwa im Jahre 160, das heißt, während des Episkopats von Aniketos (155-166).[v] Wie auch immer, sein Scheitern bei der Bischofswahl ist ein Jam­mer, denn eine Wahl von Valentinus in das Amt des Bischofs von Rom hätte die Gelegenheit mit sich gebracht, das von Paulus, Lukas und Petrus steil bergab auf einen fatalen Weg geführte junge Chris­tentum wieder bergan, auf den Pfad ins Licht zu führen. Denn wäh­rend im paulinischen Christentum trotz – oder womöglich gerade wegen Lichtgestalten wie Maria Magdalena, Thekla, Junia oder Phöbe – die Unter­drückung und Verdrängung der Frau betrieben wurde, herrschte besonders in den valentinianisch gepräg­ten Gemeinden ein anderer Geist. Dort nämlich achtete man sehr genau darauf, dass die Kirchenämter von Frauen und Männern zu gleichen Anteilen besetzt wurden – eine Gleichbehandlung von Mann und Frau, die vor allem auf der Äonenlehre des Valentinus be­ruhen dürfte, denn Clemens von Alexandrien zufolge leiteten Valen­tinus’ Anhänger Liebe und Ehe von den geistigen Paaren im Himmel ab.[vi]

   Der große christlich-gnostische Theologe und Lehrer, dessen Geburtsjahr man auf das Jahr 100 schätzt (was auf dem Wissen um seine Ausbildungszeit in Alexandria ab 120 basiert),[vii] war in Ägyp­ten aufgewachsen und hatte dort mit Sicherheit den Isiskult seiner Zeit sehr anschaulich vor Augen gehabt; gleichzeitig soll er, wie aus einem Fragment hervor­geht, eine Vision von Christus erlebt haben und davon sehr beeindruckt gewesen sein. Von daher erklärt es sich, dass der junge, aufstrebende Theologe sowohl den weiblichen als auch den männlichen Aspekt Gottes in Einklang zu bringen versuch­te, wovon seine Lehre eindrucksvoll zeugt. Bereits früh galt er als ein Mitglied einer häretischen Gruppierung in Ägypten. Wie bereits Gerhard Wehr aufzeigte, hat der junge Valentinus die Verkündigung des Paulus und des Johannes in einer undogmatischen Weise ken­nen­gelernt. Denn aus Ägypten stammt einer der ältesten unmittelbar darauf hindeutenden dokumentarischen Belege aus der Zeit von 120 bis 130: Der so genannte Papyrus 52, welcher für diesen Zeitraum das Johannesevangelium im Land am Nil nachweist.[viii]

   Die wesentlichen Einzelaspekte von Valentinus’ unleugbar hauptsächlich von Platon beeinflusster Lehre,[ix] die bereits in Kapitel 3 in anderem Kontext zur Sprache kam, bestehen vor allem darin, dass am Anfang der Schöpfung die Urmutter Sige (auch Cha­ris oder Ennoia genannt) und der Urvater Bythos standen, welche viele weitere männlich-weibliche Äonenpaare hervorbrachten. Kam der Muttergöttin, deren drei Namen „Schweigen“, „Gedankin“ und „Gnade“ bedeuten, am Anfang die Ehre der Schöpfung sprich Erfüllung des Vatergottes „Grund“ zu, so sorgte später eine andere Göttin, nämlich Sophia, die im Valentinianismus gleichzeitig die Mutter Jesu darstellt, für den Fall, der von ihm, dessen Zwillingsseele keine andere als die Ruach­mutter ist, wieder ausgeglichen wird.

  Im Philippus-Evangelium, einer Schrift des Valentinianismus, die wohl entweder von Valentinus selbst oder einem seiner Schüler verfasst wurde, heißt es in § 32:

 

„Drei [Frauen] gingen mit dem Herrn allezeit: Maria, seine Mut­ter, und ihre Schwester und Magdalena, die genannt wird seine Paar­genossin. Maria ist nämlich seine Schwester und seine Mutter und seine Gefährtin.“

 

In diesen Sätzen scheint noch matriarchales Denken hin­durchzuschimmern.[x] Der Name „Maria“ erscheint quasi als Pen­dant zur dreigestaltigen Göttin, Jesus umgeben von der Göttlich-ma­rianischen Trinität, in der Maria Magdalena als seine „Gefährtin“ (was auch „Ehefrau“ heißen kann)[xi] die größte Bedeutung hat, denn anders als bei den Synoptikern spielt hier die Reihenfolge der Na­mensnennung keine Rolle. Zur Frage der weiblichen Trinität arbeitete Jorunn Jacobsen Buckley ein bereits früher von Hans-Mar­tin Schenke vorgeschlagenes Modell aus: Die Ruachmutter ist die Gefährtin von Christus im Pleroma, Sophia diejenige vom Soter in der Ogdoad (Achtheit), und Maria Magdalena schließlich diejenige von Jesus in der irdischen Welt.[xii] Insofern kommt hier die Göttliche Einheit der Ruachmutter, Sophia und Maria Magdalena zum Ausdruck. Im Ri­tual des Brautgemachs, welches der Gnostiker mit seiner Partnerin im Kult ausübt, vollzieht sich das harmonische Zusammenspiel und die Vereinigung aller drei Ebenen. Genau diese Vereinigung von Je­sus und Maria Magdalena wird an der nächsten Stelle, §§ 55-56, an­gedeutet:

 

Die Sophia, die genannt wird: die Unfruchtbare, sie ist die Mut­ter [der] Engel. Und die Paargenossin [des Erlösers] ist Maria Mag­dalena. Der [Erlöser liebte] sie mehr als [alle] JüngerInnen, [und er] küsste sie [oft] auf ihren [Mund]. Die übrigen [JüngerInnen]..., sie sagten zu ihm: ,Weshalb liebst du sie mehr als uns alle?’ Der Erlöser ant­wortete und sagte zu ihnen: ,Weshalb liebe ich euch nicht wie sie? Ein Blinder und ein Sehender, die zusammen im Dunkeln sind, unterscheiden sich nicht voneinander. Sobald das Licht kommt, wird der Sehende das Licht sehen, doch der Blinde wird im Dunkeln blei­ben.’“

 

Obwohl wie im paulinischen Christentum auch bei Valentinus die Erlösungstat vom Weiblichen auf das Männliche übertragen wird, so führte dies im Gemeindeleben dennoch nicht zur Ungleichbehandlung der Frau. Man kann sich also leicht vorstellen, dass unter einem Bischof Valentinus von Rom ein gerechteres und wohl auch erfolgreicheres Christentum erblüht wäre als das, was später daraus erwuchs

 Das Entscheidende für den Valentinstag ist jedoch, dass Maria Magdalena und Jesus Christus als das Höchste Paar erscheinen, und welch besseren Grund könnte es wohl geben, diesen Gedenktag entsprechend zu würdigen?

Weiteres zum Göttlichen Paar: https://gcmm.jimdo.com/meine-b%C3%BCcher/die-g%C3%B6ttin-des-christentums-maria-magdalena/



[i][i] Hörmann, Werner: Gnosis. Das Buch der verborgenen Evangelien, Augsburg 1989, S. 47f.

[ii] Wehr, Gerhard: Auf den Spuren urchristlicher Ketzer, 2, Freiburg 1967, S. 42f.

[iii] Wehr 1967, S. 45.

[iv] Wehr 1967, S. 44f.

[v] Wehr 1967, S. 45.

[vi] Zu Ehe, Heirat und Kopulation in valentinianischem Verständnis siehe Quispel, Gilles: The original doctrine of Valentinus the Gnostic, In: Vigiliae christianae, Leiden, 50. 1996, 4, S. 334-337.

[vii] Hörmann 1989, S. 336.

[viii] Wehr 1967, S. 41.

[ix] Wehr 1967, S.41f.

[x] Leonhard Fendt hat in seinem Werk „Gnostische Mysterien“ anhand der Beschrei­bung gnostischer Gottesdienste und Rituale deutlich genug aufgezeigt, wie sehr sich die Gnosis mit der althergebrachten Religion der Muttergöttin vermischte, genauer ge­sagt deren Symbolik Schlange = Eva = Göttin übernahm und der Göttin neue, philosophische Namen angedeihen ließ (Sige, Ennoia, Charis, Sophia, Barbelo etc.), siehe dazu auch Kapitel 4.

[xi] Jacobsen Buckley, Jorunn: The Holy Spirit is a double name”. Holy Spi­rit, Mary, and Sophia in the Gospel of Philip, In: Images of the feminine in Gnosticism, Harrisburg, PA 2000, S. 215.

[xii] Jacobsen Buckley 2000, S. 212f.